„Aktivposten“ der Gedächtniskultur: Der Luftschutzbunker unter dem Yppenplatz

Zur Geschichte des Bauwerkes:
Im Jahre 1940/41 wurden in Wien im Zuge des so genannten „Führer-Sofortprogrammes“ in etlichen Parkanlagen Luftschutzbunker errichtet. Die „Gauhauptstadt Wien“ wurde von den Nationalsozialisten als „Luftschutzort der 1. Ordnung (Rüstung, Industrie, Verkehr) klassifiziert. Nach dem damaligen Stand der Technik waren diese Festungswerke modern ausgestattet (Gasschleusen, sanitäre Anlagen, Schutzraumbelüfter). Der Bunker unter dem Yppenplatz war für 300 Personen konzipiert. In den insgesamt 44 Kammern waren auch „Erste Hilfe“ Stationen, ebenso eigene Räume für „Kriegsversehrte“ und „Kranke“ vorgesehen. Der Betonverband war mit Stahlarmierung gegen das zerstörerische Potential der abgeworfenen Bomben gefestigt. Der Bunker war autark (eigene Stromversorgung) und war auch gegen Kampfstoffe (Gase) hermetisch zu verschließen. Während der Bombenangriffe 1944/45 suchten hauptsächlich Zivilpersonen (Kinder, Mütter, alte Männer) Schutz vor den Bombardements in diesem robusten Bollwerk.

Der strategische Luftkrieg der 15. US-Luftflotte  -  die amerikanischen Bomberverbände flogen aus Italien ab 1943 gegen die „Donau- und Alpgengaue“ -  zielte darauf ab, auch die Moral der Bevölkerung zu brechen, was aber nicht gelang. Jedoch trugen die insgesamt 53 gegen Wien geflogenen Einsätze auch dazu bei, den NS-Terrorstaat zu zerschlagen. Bei der Erforschung der Baugeschichte und des historischen Umfeldes der verbliebenen Bunker sollte man ebenso der vielen ausländischen Fremd- und Zwangsarbeiter gedenken, die beim Bunkerbauprogramm herangezogen und ausgebeutet worden waren.

Archäologie des 21. Jahrhunderts:
„Verschüttete“ Gebäude zu dokumentieren ist die Aufgabe der Geschichte und der Archäologie. Egal ob es sich dabei um römische Kastelle, um mittelalterliche Burgen, oder um Bauwerke der jüngeren Vergangenheit, wie z. B. Industriebauten des 20. Jahrhunderts, handelt. Auch die Bunker des Zweiten Weltkrieges rücken nun verstärkt in das Blickfeld einer interdisziplinierten Aufarbeitung. Die wissenschaftliche Bearbeitung dieser verbliebenen „Bau-Relikte“, die während der NS-Zeit errichtet wurden, ist eine besondere Herausforderung einer umfassenden Forschung des 21. Jahrhunderts, da sie auch emotional berührt und reflektiert.

Gesamtbild einer Gedenkkultur:
Wir gehen davon aus, dass ein zivilisiertes und kultiviertes Land eine Gedenkkultur entwickelt. Um zukünftigen Generationen ein lückenloses Bild der Vergangenheit zu vermitteln, soll ein Gesamtbild der NS- und Kriegszeit gezeigt werden. Hierbei sollen nicht nur der Terror, das Elend, die Verfolgung, der Rassenwahn - also die Auswüchse des totalitären NS-Staates dokumentiert - , sondern auch die Zerstörung des urbanen Wohngebietes mit all dem Leid der Zivilbevölkerung festgehalten werden. Die baulichen Hinterlassenschaften des Bombenkrieges (dazu zählen die ehemaligen Luftschutzbunker - die letztendlich auch Menschenleben retteten), sollen nicht „ausgeblendet“ werden. Soweit es möglich ist, können diese „vergessenen“ Bauwerke als Mahnmale und Warnsignale unserer Vergangenheit erhalten bleiben.

Authentizität:
Bei der Präsentation historischer Orte sind original belassene Rauminhalte und die Atmosphäre wesentliche Bestandteile der pädagogischen Erfahrung. Entscheidend ist dabei die „Authentizität“ dieser Bauwerke. Die alten Maschinenräume mit den Schutzraumbelüftern, die ehemaligen Stahltüren, die Lüftungsrohre, die Leuchtstreifen und Hinweisaufschriften im Bunker sind - soweit möglich - „in situ“ zu belassen.

Konservierte Geschichte:
Eingebrachte Original-Utensilien (Luftschutzapotheken, LS-Helme, Gasmasken, …) aus der Zeit des Bombenkrieges unterstützen in zwei museal eingerichteten Kammern des Bunkers unter dem Yppenplatz dieses authentische und pädagogische Konzept. Der Bunker ist ein bauliches Dokument des Dritten Reiches und ein Architekturbeispiel für eine im Krieg kreierte zeittypische Bauaufgabe.

Gleichzeitig ist mit der künstlerischen Neunutzung und der Adaptierung dieses historischen Bunkerbauwerkes eine sinnvolle Transformation von der Vergangenheit in die Gegenwart gelungen. Der alte Bunker ist zusätzlich ein Ort der Begegnung und einer friedlichen Koexistenz geworden. Mit der „Neubespielung“ des jahrzehntelang leerstehenden Bunkers ist die glückliche „Verbindung“ mit der Gegenwart erfolgt und der Bunker hat eine sinnvolle und wichtige Vermittlungsrolle in unserer Gesellschaft gefunden.

Dr. Marcello La Speranza

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